Angelika Aliti
Macht und Magie
Der weibliche Weg, die Welt zu verändern
mit 49 Karten
Frauenoffensive
ISBN: 978-3881043007
z. B. auf Amazon
In Venus veritas
Das Patriarchat sagt:
Mens sana in Campari Soda.
Wir sagen:
Shake it, shake it, shake it, Baby,
denn in der Venus liegt die Wahrheit!
Auch Energiefelder haben eine Geschlechtszugehörigkeit, ein Umstand, der erhebliche Auswirkungen auf unser aller Leben hat. Meiner Ansicht nach haben wir einen Überhang an männlichen Energiefeldern auf der Welt. Wir hätten sogar dann einen Überhang, wenn es uns gelingen würde, nach dem Prinzip von Yin und Yang die Energiefelder halbehalbe aufzuteilen. Wie es eigentlich sein sollte, sagt uns gerade dieses Yin-Yang-Zeichen, denn in Wahrheit ist der schwarz-weiße Kreis ein weibliches Zeichen, das etwas über Harmonie und Mondphasen erzählt und über Männer und ihre Energie nichts enthält.
Dass das Prinzip des Lebens auf diesem Planeten aus einem weiblichen Zentrum und dem Männlichen als Peripherem besteht, ist für Frauen, deren Identität unzentriert ist und die das Leben aus der Männerperspektive betrachten, schwer zu ertragen. Das halte ich für durchaus verständlich, denn Frauen, die sich isoliert und ohne sichere Identität in männlichen Energiefeldern aufhalten müssen, haben es schwer, ein Eigengewicht zu entwickeln. Wenn ich überdies bedenke, daß die wenigen weiblichen Energiefelder auch noch unter bemerkenswertem Energiemangel leiden, weil Armut weiblich und nur die eine gute Frau ist, die ihre Kraft den Männern schenkt (dafür dann das Gefühl haben darf, sich nützlich gemacht zu haben), dann wundere ich mich über gar nichts mehr.
In der materiellen Welt bedeutet der Überhang an männlichen Energiefeldern, dass 99 % des Besitzes in Männerhand sind, dass Männer das Monopol auf Geld, Arbeit und Politik haben. Es bedeutet auch, dass den wilden Kräften – den materiellen wie dem Regenwald oder Bannwäldern oder den unsichtbaren wie Perchten und Truden – kein Lebensraum gelassen wird.
…
Lebendigkeit, Leben, ist einer der Begriffe, die wir für den Fluss von Energie haben. Lebendigkeit, Energie gibt es nur, wenn es ununterbrochenen Wandel gibt, anders ausgedrückt, wenn es – das Leben, die Energie – ununterbrochen fließt, was ein altgriechischer Kopffüßler paradoxerweise mit den Worten panta rei festzuhalten versucht hat. Und exakt um dieses Festhalten geht es, wenn das männliche Prinziip in Überbewertung seiner Wichtigkeit am falschen Platz energetische Staudämme errichtet.
Ein Energiefeld ist nicht greifbar, sehr wohl aber spürbar. Die Umkleideräume einer Profifußballmannschaft sind ein auch für die patriarchal hypnotisierte Frau leicht nachvollziehbares Männerenergiefeld, ebenso beispielsweise ein sizilianisches Kaffeehaus. Es ist nicht einfach nur ein Raum, der für Männer reserviert ist. Es geht um die Schwingung, die in solchen Räumen entsteht. Jede hat schon einmal einen Raum betreten, in dem kurz zuvor Menschen miteinander gestritten hatten. Mit Sicherheit lag der Streit noch in der Luft, obwohl die Streitenden den Raum schon verlassen hatten. Das, was da in der Luft lag, waren Reste einer funkelnden Lebensenergie, wie sie nur Zorn hervorbringen kann. Diese unsichtbare, größtenteils nicht messbare Kraft macht sich nachhaltig bemerkbar. Wenn ich in meinen Seminaren mit den Teilnehmerinnen Energiefelder bzw. -kreise herstelle, erlebt eine das, was wir nur kraft unseres Seins entstehen lassen, manchmal als unerträgliche Hitze, manchmal auch nur als Unmöglichkeit, den Kreis zu verlassen.
Diese Kraft setzt Wandlungsenergien frei und erzeugt damit eine Art eleganter Revolution der Sensiblität. Auf diesen Energiewellen surfend, läßt sich spielerisch Frauenkraft in männlichen Energiefeldern entfalten.
…
Die letzte Geschichte dieser Art geschah gerade erst vor ein paar Tagen. Mit den Worten “Keine Angst, wir tun ihnen nichts” traten ein Gandarm, ein Soldat und ein Zivilist mit Kravatte an meinen Zaun. Überrascht blicke ich vom Äpfelsammeln auf. Ihr Anblick erschien mir nicht gefährlicher, als wenn sie Osterhasenkostüme getragen hätten. Die Magie patriarchaler Obrigkeitsbekleidung verfängt bei mir nicht, ich parke nicht falsch und bin auch sonst nicht kriminell. Für mich sind Uniformierte einfach Leute, denen anzusehen ist, unter welchen psychischen Problemen sie leiden. Lediglich die Tatsache, daß sie ganz legal bewaffnet sind, ohne sich einem Test, der ihre soziale Intelligenz prüft, erfolgreich unterzogen zu haben, bereitet mir Sorge.
Während ich noch darüber sinnierte, mit welcher Selbstverständlichkeit diese Omega-Männchen davon ausgingen, daß Frauen vor ihnen Angst zu haben haben, reichte mir der Soldat seine Pranke über den Zaun und erwartete, daß ich sie ergreife. Ich starrte die dargebotene Hand an und wusste: Soviel Zuvorkommenheit konnte nur bedeuten, daß sie irgendetwas vorhatten, von dem sie annehmen mussten, daß es mir nicht gefiel.
Und dann kam’s. Sie wollten nur ankündigen, daß eine Woche später die Straße, die zur Auffahrt auf meinem Hof führt, gesperrt würde, um dort der Öffentlichkeit ein neues militärischen Fahrzeug vorzuführen. Meinen Protest ordneten sie als unbedeutende Meinungsäußerung eines von Natur aus unterprivilegierten Wesens ein und sagten, dagegen könne ich gar nichts tun, es sei alles schon genehmigt.
Es war klar: Da ich in ihren Augen nichts zu genehmigen hatte, konnte ich nur magisch vorgehen. Leicht war es, für die Soforthilfe eine kleine Sprachmagie einzusetzten. Ich erklärte dem Soldaten, daß ich eine Abneigung gegen das Militär hätte, was er bitte nicht persönlich nehmen solle, denn er sei sehr sympathisch.
Das ist eine kleine Falle, die Frauen aus umgekehrter Situation kennen. Sätze wie: “Sie sind doch eine so hübsche und intelligente Person. Wie ist es möglich, daß sie genausoviel Geld wir ihr Kollege verdienen wollen?” kennen viele Frauen und wissen, wie schwer es ist, dagegenzuhalten. Das Problem besteht in der Verknüpfung zweier Dinge, von denen eins begehrenswert ist und ausschließt, das andere zu akzeptieren. Es läuft darauf hinaus, daß nur eine hässliche und dumme Frau soviel Geld wie ein Mann verdienen will. Oder darauf, daß einer unsympatisch ist, wenn er das Militär gut findet.
Das Dilemma war noch verzwickter angesichts des Auftrags, besonders sympathisch zu erscheinen, den diese Faschingsprinzen offensichtlich von ihren Vorgesetzten mit auf den Weg bekommen hatten.
Der Gendarm gab diesbezügliche Bemühungen allerdings schnell auf und versuchte es mit einer kleinen versteckten Drohung, wahrscheinlich so etwas wie die Macht der Gewohnheit. Aber exakt denselben Trick hatten ein paar Beamte vor ihm vor ein paar Jahren versucht. Ich hatte ihn schon in meinem Krimi “Die Sau ruft” verarbeitet. Also blieb ich gelassen. Ich konnte ihn sogar freundlich, aber bestimmt, darauf hinweisen, daß er schon ein bißchen früher aufstehen müsse, wenn er mich beeindrucken wolle. Welcher Mann will nicht eine Frau beeindrucken, und welcher Mann reagiert nicht mit Frust wie damals in der Tanzstunde, als er sich einen Korb geholt hatte, auch wenn er es sich nicht anmerken läßt? Kleiner Tipp am Rande: Krawattenträger, z.B. solche, die mit dem Mobiltelefon hinter dir in der Schlange am Taxistand nervtötend wichtig durchgeben, daß sie zehn Minuten später kommen, lassen sich mühelos in Sekundenschnelle aushebeln, wenn du kurz auf ihren Halsschmuck starrst und dann sagst: “Wer sucht ihnen eigentlich Ihre Krawatten aus?”
Bei meinen drei Osterhasen erreichte ich damit die gewünschte Verwirrung. Wäre das Gespräch weitergegangen, hätte ich die Herren immer wieder aus ihrem Konzept bringen können, zum Beispiel indem ich immer dann, wenn sie mit ihrem Anliegen an einem bestimmten Punkt gekommen wären, überrascht auf den Boden geblickt hätte, um dann zu sagen: “Ach, da ist nichts, ich dachte, ich hätte eine Schlange gesehen.”
Sprachmagie besteht aus dem Willen, die Spielregeln eines Gesprächs zu bestimmen, und einigen wirkungsvollen Umgangsweisen mit Worten, um das auch zu erreichen. Am Ende hätte ein Blick von mir auf den Boden gereicht, um jedesmal, wenn ich es wollte, den Redefluss der anderen zu unterbrechen. Bei Sprachmagie geht es immer darum, dem Kontrahenten Verhalten vorzusetzten, für das er keine Antwort in seinem Repertoire hat, auf das er aber reagieren muss.
Als sie abzogen, hörte ich sie miteinander murmeln. Was sie sagtenh, konnte ich zwar nicht verstehen, aber der Tonfall ließ den Schluss zu, daß die Sache für sie irgendwie anders gelaufen war als erwartet. Der Gendarm versuchte noch einen demonstrativ abschätzigen Lacher in meine Richtung.
Ich ging ins Haus und schrieb einen Brief an die Hauptmänner der beiden zuständigen Bezirke mit der Bitte, die Veranstaltung nicht zu genehmigen. Die Briefe schickt ich ab, die Kopien steckte ich unverzüglich in meinen Ahninnentopf. Dann griff ich mir meine Symbolkarten und wählte die aus, die mich ansprachen. Es waren dies die Symbole für Kali, Gorgo, Chaos, Skorpion und die Augen der Göttin. Zwei Abende bevor die Vorführung des militärischen Geräts stattfinden sollte, ging ich in der kurzen Winterdämmerung an den Platz und malte die Symbole in Rot und Weiß groß und gut sichtbar auf die umstehenden Bäume. Dann drehte ich mich um und flog als erstes über eine Baumwurzel. Mir das Schienbein reibend, betrachtete ich mein Werk und war beeindruckt, wie sich der Platz in Sekundenschnelle verwandelt hatte. Hier konnte niemand mehr sein, ohne sich unwohl, verunsichert und von tausend Augen beobachtet zu fühlen. Zufrieden humpelte ich nach Hause.
Ich war nicht die einzige, die sich nicht über die militärischen Spiele freuen wollte. Am Morgen des großen Ereignisses lieferte Nachbarbauer Lindner eine nicht minder beeindruckende Energiearbeit ab, indem er sein an den Platz grenzendes Feld reichlich mit besonders übelriechender Gülle düngte. Jeder, wie er kann, sage ich immer.
Die Karte, die ich für mich an diesem Tag zog, war Hekate, die Hüterin der Wege und unterirdischen Quellen. Zu ihrem Energiefeld gehört auch der Skorpion. Während in der gesamten Umgebung erwachsene, albern kostümierte Männer Krieg spielten, blieb der energetisch verwandelte Platz unangetastet. Ich bedankte mich bei Kali und Gorgo.
Welche Aktion letztlich den Ausschlag gab, halte ich für ziemlich unerheblich. Ich wusste einfach, daß ich im Einklang mit den unsichtbaren Wesen und den Seelen der Bäume und Wege handelte, als ich mich wehrte. Ich hatte ihre Unterstützung und die Sicherheit der Erfahrung, daß auf Grund einer simplen Zeichnung an der Wand meines Ziegenstalls hundert Meter weiter vier Tujen umgesägt wurden. Dagegen war das Ausbleiben des Miltärs geradezu ein Klacks.
Falls du jetzt fragen möchtest: Was, wenn das militärische Gerät doch vorgeführt worden wäre? kann ich nur antworten, diese Frage hätte geradezu garnatiert, dass die Faschingsprinzen vorfahren. Eine soll erst dann beginnen, mit der Veränderung von Energiefeldern zu arbeiten, wenn sie bis zu den Bereichen in ihrem Inneren vorgedrungen ist, wie die Zweifel produziert werden. Dort wird nämlich auch der Wille produziert, in ganz unterschiedlichen Qualitäten. Nur wenn alle Zweifel beseitig sind und du imstande bist, einen klaren Willen hervorzubringen, wird es funktionieren. Sich über Zweifel hinwegzusetzen, heißt, noch nicht soweit zu sein. Du mußt deinen Zweifeln zuhören, dich mit ihnen besprechen und irgendwann eine Entscheidung treffen. Erst danach kannst du handeln. Du bist immerhin in Bereichen unterwegs, in denen dir mehr passieren kann als nur ein lädiertes Schienbein. Du greifst in die Wirklichkeit und das Schicksal auch anderer Lebewesen ein. Das ist keine Kleinigkeit. Da du für alles, was du tust oder lässt, die volle Verantwortung trägst, darfst du bei dieser Arbeit nicht halbherzig sein.